„Hier liegt vor deiner Majestät im Staub die Christenschar...“ - dieses Lied nach der Melodie von
Joseph (oder Michael) Haydn entstand um das Jahr 1800. Im Gotteslob finden Sie es nicht mehr, gesungen wird es noch bei Gottesdiensten mit langer Tradition, wie z.B. beim Bußgang nach Eppinghoven.
Die Geste, die das Lied besingt, ist ein alter Ritus der Unterwerfung. Könige, Kaiser und
andere Potentaten erwarten sie von ihren Untertanen. Daher tun sich viele Menschen eher schwer damit. Eine abgeschwächte Form der Niederwerfung ist das Knien. Auch das fällt vielen schwer. Die Nazis
wollten die Menschen der Kirche abspenstig machen, indem sie sich diesen Widerwillen zu Nutze machten und formulierten: „Der deutsche Mann kniet nie.“
Eben auch nicht in der Kirche und schon gar nicht vor Gott. Sie duldeten nichts und niemanden neben sich - und wollten letztendlich die Niederwerfung Aller unter ihre menschenverachtende Ideologie. So war das Knien oder Liegen vor Gott immer auch ein Zeichen des Widerstandes gegen die weltlichen Mächte; gegen römische Kaiser und spätere Diktatoren.
Das Knien, die Kniebeuge und auch das „sich betend auf dem Boden ausstrecken“ ist ein allgemein menschlicher Brauch, der
im Evangelium auch von Christus selbst bezeugt ist. In der heutigen Liturgie kennen wir es vom Karfreitag; früher war es auch in der Osternacht üblich. Hier vollzieht es stellvertretend
für alle Gläubigen der Priester.
Zum Ritus der Bischofs-, Priester- und Diakonenweihe gehört
seit vielen Jahrhunderten, daß sich der Weihekandidat mit zur Erde gewandten Antlitz auf dem Boden ausstreckt. Mit der Haltung soll ausgedrückt werden, daß der betende Mensch
sich vor der Größe und Herrlichkeit Gottes klein, hilflos und sündig fühlt.
In der orthodoxen Liturgie kennt man diese Geste für alle Gläubigen; statt einer Kniebeuge gibt es dort den Brauch, sich kurz niederzuwerfen.
Auch das muslimische Pflichtgebet kennt diese Gebetsgeste, wobei ihre Bedeutung dem christlichen Sinn entspricht.
Es lohnt sich sicherlich, das Beten mit dem Körper wieder neu zu entdecken und nicht nur
mit dem Kopf, sondern mit dem ganzen Herzen und dem ganzen Leib zu beten.
Die Jugendlichen, die nach Taizé fahren, entdecken solche
Gebetsformen neu. In der Versöhnungskirche dort gibt es keine Stühle, daher sitzen oder knien die Gottesdienstbesucher. Zum stillen Gebet kann man sich knieend nach vorne beugen und das
Gesicht vor die eigenen Knie legen oder sich ganz auf dem Boden ausstrecken. An jedem Freitag abend gibt es in Taizé eine Kreuzverehrung nach orthodoxem Ritus. Dazu kommen die
Jugendlichen zu einer am Boden liegenden Kreuzikone und legen ihre Stirn auf das Kreuz. Eine Geste, mit der sie ihre Last, ihre Sorgen und ihre Bitten dem Gekreuzigten
anvertrauen. Solche ungewohnten Gebetsgebärden hinterlassen bei den Jugendlichen oft einen tiefen Eindruck.
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