Viele bunte Kügelchen kollern über meine Schreibtischplatte. Die meisten sind rundlich-knubbelig
und durchscheinend gelb. Rote sind auch dabei und solche, deren Farbe eher ins Braune spielt.
Sieht man genauer hin, entdeckt man auch getrocknete Kräuter, Lavendelblüten und
Pflanzensamen; andere Teile erinnern eher an Steinchen.
Meßdiener werden schon erraten haben worum es
geht: um den Weihrauch, eine der Gaben, die die drei Könige dem Kind in der Krippe zum Geschenk machten.
Er kommt aus dem Sultanat Oman, wo seit Jahrtausenden dieses Baumharz geerntet wird.
Der klare, fast durchscheinende Weihrauch ist auch der kostbarste.
So kann ich auch als Nicht - Fachmann erkennen, daß unser Pastor
preisgünstig einkauft - und der Weihrauch trotzdem gut riecht.
Daß Weihrauch fast nur im Oman hergestellt wird, hat einen einfachen Grund: Echte Weihrauchbäume
(Boswellia sacra/Boswellia carteri) lassen sich weder züchten noch verpflanzen.
Die arabischen Stämme in den Karabergen, an der Grenze
zum Jemen, schneiden die Rinde der Bäume ein und sofort tritt ein weißlicher Saft aus. Der trocknet zu Weihrauchkörnchen, die nach einigen Wochen geerntet
werden. Die zweite Ernte ist übrigens die Beste. Von hier aus geht der Weihrauch in alle Welt - 700.000 Tonnen jährlich.
Erst seit der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts wird Weihrauch
auch in der Kirche gebraucht. Vorher diente er in den heidnischen Kulten der Ägypter, Griechen und Römer zur Gottesverehrung. Solche heidnischen Bräuche wollte die Kirche nicht übernehmen.
Daß man dann doch den Weihrauch (wieder-)entdeckte hat drei Gründe:
- Zunächst ist er ein Symbol für die Gebete der Glaubenden, die aufsteigen wie der helle aromatische
Rauch,
- dann ist das Verbrennen des kostbaren Weihrauchs ein Opfer, etwas, auf das ich für Gott verzichte,
- und zu guter Letzt sollte es im Hause Gottes auch angenehm riechen.
Im Zeitalter der kostbaren Parfums ist diese Wirkung heute nicht mehr so notwendig. Früher war das etwas anders.
Interessant ist, daß in Santiago de Compostela, dem berühmten Pilgerort
Spaniens ein gewaltiges, mannshohes Rauchfass quer durch die Kirche geschwungen wurde und wird. Angesichts der vielen verschwitzten Pilger, die in ihrer Pilgerkleidung monatelang unterwegs waren,
wird das Domkapitel dort wissen, warum.
Im Alten Testament diente Weihrauch allein zum Tempelkult. Er wurde - mit den
Opfergaben - auf dem Altar verbrannt.
Im Islam - besonders in den Arabischen Ländern wird Weihrauchduft vor allem in Wohnräumen verwendet. Er hat seine religiöse
Bedeutung hier verloren. Reiche Araber kaufen dazu auch den kostbarsten Weihrauch.
Um das Jahr 400 dichtet ein Christ - Prudentius - über die Gaben der
drei königlichen Besucher für das göttliche Kind:
„Den König kündet an das Gold, dem Gott steigt auf des
Weihrauchs Duft, doch weist voraus auf Tod und Grab der Myrrhen-Körner Bitterkeit.“
Er deutet diese Gaben vom Glauben her.
Und wer weiß - vielleicht gibt er uns einen Hinweis darauf, daß die
drei Weisen in Wahrheit auch solche Geschenke mitgebracht haben, die die junge Familie in ihrer Situation notwendiger gebrauchen konnte.
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